Die Abzockerfirmen und ihre Konten
02.10.2019 – Wer als Betroffener in Kontakt mit der Abzockerszene kommt, wird sich häufig wundern. Nicht nur wegen der Unverfrorenheit der Kölner Masche-, Adressbuch- oder Doppel-Anruf-Firmen. Dem Inhalt deren Rechnungen. Oder der Dreistigkeit der Mahnungen. Sondern auch, weil es immer wieder in den Schreiben heißt: "Geänderte Bankverbindung". Oder: "Überweisen Sie nur noch auf unser neues Konto".
Ein Zufall ist das nicht. Die „Szene“ hat ein Problem mit dem Bankkonto. Vor allem in Deutschland. Aber auch im Ausland.
„Der schlaueste Weg der sich bot“
Nicht erst, seitdem Anfang 2012 ein autobiographischer Roman über einen vormals für solcherart Firmen tätigen Rechtsanwalt auf den Markt kam (Manuela Thoma-Adofo, Tote Ratten für den Tankwart, München, 2012), ist es kein Geheimnis mehr: wenn der Abzockerszene die Konten genommen werden, hat sie ein Problem. Und das geschieht häufig. Einige Zitate aus dem Buch:
„Die Verbraucher hatten eine Achillesferse im System gefunden […] Es war der schlaueste Weg der sich bot, denn er grub das Wasser da ab, wo es fließen sollte. Die Banken, bei denen ich oder meine Mandanten Konten hatten, kündigten uns reihenweise die Geschäftsbeziehung (S. 114).“
“Wenn ich keine Konten hatte, dann konnte ich den Schuldnern auch nicht mitteilen, wohin sie ihr Geld überweisen sollten. Wenn man nicht überweisen konnte, dann kam auch nichts rein. So einfach war der Käse (S. 114).“
„Das Dilemma der Banken war groß. Einerseits waren die hohen Umsätze auf meinen Konten zwar durchaus angenehm für jedes Haus, andererseits entwickelten mache Leute einen geradezu bewundernswerten Ehrgeiz, den Banken mit Kündigungen und Vorwürfen so lange zuzusetzen, dass es besser war, sich von uns zu trennen, als vom Geld zu profitieren (S. 114).“
„Das Bankenproblem war mittlerweile nicht nur lästig, nein, es wurde zunehmend fatal. Es bestand allerhöchster Handlungsbedarf. Sowohl meine Mandanten als auch ich hatten beinahe alle deutschen Bankinstitute durch und kaum noch eine wollte sich noch auf uns einlassen (S. 145).“
„Das Bankenproblem war nicht ansatzweise gelöst. Nur verschoben. Eine völlig neue Erfahrung versprachen wir uns von der türkischen Ziirat Bank. Online hatten wir dort ein Konto eröffnet und gingen davon aus, dass die vielleicht ein wenig schmerzfreier wäre, was Beschwerden anginge. Das waren sie auch. Das Konto war noch schneller gekündigt als bei ihren deutschen Kollegen und meine Beschwerde wegen Nichteinhaltens der sechswöchigen Kündigungszeit wurde völlig schmerzfrei ignoriert (S. 152).“
„… über dreihundert brave Bankkunden hatten sich über das schwarze Schaf beschwert. Schluss war’s mit Konto. Wieder mal (S. 341).“
„Ich habe schlecht geträumt“
Wie sehr die Probleme mit dem Bankkonto im Alltag solcher Firmen drücken, zeigt ein Chatmitschnitt, der uns zugespielt worden war. Eine damals von Deutschen betriebene spanische Firma machte Reibach mit der Doppel-Anruf-Masche. Bei der man mit Spamanrufen und unwahren Behauptungen an ein telefonisches „ja“ für Verträge mit Gewerbetreibenden kommt.
Deren Geschäftsführerin "Tanja" war besorgt; wie sich später aufgrund der zahlreichen Mitteilungen über eine geänderte Bankverbindung herausstellte, wohl nicht zu Unrecht. Aus dem Chat:
09.05.2014 09:48:59 tanja - du ich habe eine bitte an dich, kannst du dich nächste woche mal um ein neues bankkonto kümmern, ich habe ein ungutes gefühl, falls was bei der deutschen bank schief läuft, damit wir noch ein anderes haben.
09.05.2014 09:51:07 tanja - und ich denke es ist besser, das ich von der grossen summe das geld fürs finanzamt woanders spare also teils teils, damit das geld nicht weg ist, falls was kommt! ok, sollen wir da mal drüber tel. spääter?
09.05.2014 09:51:26 tanja - ich habe schlecht geträumt!!!!!!!
09.05.2014 10:31:11 tanja - heute und gestern sind nur zwei zahlungen reingekommen, das macht mir sorge!!!! desswegen laufe mal am montag sofort zur bank und mach mal ein neues konto auf, dafür brauchst du die escritura, hast du die griff bereit? nif und passport aber das weisst du ja
Doch nicht nur das Engagement von außen bewog die Banken zu Kontokündigungen. Auch der Verdacht auf Geldwäsche, wurde in Ermittlungsakten, die wir einsehen konnten, öfter genannt.
Verbraucherzentrale darf zur Kündigung eines Kontos aufrufen
Mit dem Aufruf einer Verbraucherzentrale an eine Sparkasse, das Konto des Inkassounternehmens eines Abofallenbetreibers zu kündigen, hatte sich auch schon der Bundesgerichtshof (BGH, Urteil vom 06.02.2014 - I ZR 75/13 - Aufruf zur Kontokündigung) befasst. Das sei zulässig, entschied das höchste deutsche Zivilgericht: weil das Inkassounternehmen sich an der Durchsetzung eines Geschäftsmodells beteiligt habe, das auf systematische Täuschung von Verbrauchern ausgerichtet war.
Ohne sie geht gar nichts:
[Callcenter - Maschinenräume der Abzockerszene]
Neu ist er nicht:
[Seit über 100 Jahren: Inseratenschwindel, damals so wie heute]
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