Landgericht Bielefeld: Spamanrufe der Firmenauskunft P.U.R. GmbH sind rechtswidrig
23.09.2021 – Ein Schlag gegen die Firmenauskunft P.U.R. GmbH aus 47559 Kranenburg. Das Landgericht Bielefeld (LG Bielefeld, Urteil vom 07.09.2021 – 20 S 64/20) entschied, dass die Methode der Firma rechtswidrig ist, mit Spanrufen an Aufträge zu gelangen.
Akquise mit der Doppel-Anruf-Masche
In unserem Blog hatten wir die Masche der Firmenauskunft P.U.R. GmbH so beschrieben:
„Ein Anruf kommt bei Gewerbetreibenden und Freiberuflern an. Eine Geschäftsbeziehung soll vorher nicht bestanden haben. Solche Anrufe werden dann Cold-Calls oder Spamanrufe genannt. Sie sind unzulässig – was die Anrufer aber nicht weiter stört. Unter emsigem Einreden wird am Telefon eine Legende präsentiert, mit welcher den Angerufenen suggeriert wird, jetzt einem Vertrag zustimmen zu müssen. Mitunter wird argumentativ nachgeholfen. Indem - nur jetzt und sofort und nur für Sie – ein saftiger Preisnachlass angeboten wird.
Den Vertragsschluss lässt man sich bei einem zweiten Anruf, unmittelbar darauf, bestätigen. Dieses Telefonat werde aufgezeichnet, wird angekündigt. Doch es geht nicht um die Überprüfung von Artigkeiten. Jetzt werden Daten abgefragt; aber so, dass eine Bezugnahme auf die Behauptungen im ersten Anruf nicht deutlich wird und die Antworten in der Regel „ja“ lauten. Die Vorgeschichte, der Inhalt des ersten Anruf, geht aus dem Mitschnitt nicht hervor.“
Gericht: Anruf zu Werbezwecken ist störend
Das Landgericht Bielefeld sah die Masche mit den Spamanrufen sehr kritisch:
“Der Beklagte hat gegen die Klägerin einen Anspruch auf Unterlassung von
Telefonanrufen zum Zwecke der Werbung aus dem quasi-negatorischen
Unterlassungsanspruch gem. §§ 1004 Abs. 1, S. 2, 823 Abs. 1 BGB analog.
Die Klägerin hat durch den Telefonanruf, der zum Vertragsabschluss führte,
rechtswidrig in das Recht des Beklagten am eingerichteten und ausgeübten
Gewerbebetrieb eingegriffen; darüber hinaus besteht eine Wiederholungsgefahr.
aa)
Die Klägerin hat das Recht des Beklagten am eingerichteten und ausgeübten
Gewerbebetrieb durch ihren Werbeanruf verletzt. Bei diesem Recht handelt es sich
um ein Rahmenrecht, das den Betriebsinhaber in seiner wirtschaftlichen Tätigkeit
schützen und ihn vor widerrechtlichen Gefahren bewahren soll. Ein Eingriff setzt
jedoch voraus, dass er betriebsbezogen ist. Hier müssen die Wartungen des § 7
UWG zusätzlich herangezogen werden, um Wertungswidersprüche mit dem
Unterlassungsanspruch aus § 8 UWG zu vermeiden. Entsprechend § 7 Abs. 2 Nr. 2
UWG liegt daher dann ein Eingriff in das Recht am eingerichteten und ausgeübten
Gewerbetrieb vor, wenn der Anruf ohne mutmaßliche Einwilligung des
Gesprächspartners erfolgte. Maßgeblicher Zeitpunkt ist der Zeitpunkt vor dem Anruf
(OLG Bamberg, Urteil vom 20.07.2016, 3 U 223/15; OLG Hamm, Urteil vom
07.10.2016 12U 38/15, jeweils juris).
Die Voraussetzungen für einen Eingriff sind erfüllt. Ein Anruf zu Werbezwecken stellt
nämlich grundsätzlich einen Eingriff in das Recht am eingerichteten und ausgeübten
Gewerbebetrieb dar. Es kann zu belästigenden und unerwünschten Störungen in der
beruflichen Tätigkeit und zu einer den Geschäftsgang störenden Belegung des
Telefonanschlusses kommen. Dabei kann auch nicht von einer mutmaßlichen
Einwilligung des Beklagten ausgegangen werden. Maßgebend ist insoweit, ob der
Werbende bei verständiger Würdigung der Umstände davon ausgehen kann, der
Anrufende erwarte einen solchen Anruf oder werde ihm jedenfalls positiv
gegenüberstehen. Der Anzurufende muss gerade mutmaßlich mit einer telefonischen
Werbung einverstanden sein. Eine mutmaßliche Einwilligung kann dann
anzunehmen sein, wenn die Werbung durch Telefonanruf gegenüber einer
schriftlichen Werbung zwar keine oder sogar weniger Vorzüge entspricht, aber
gleichwohl noch einem hinnehmbaren Maß entspricht (vgl. OLG Hamm a.a.0.)
Hier fehlt es an der mutmaßlichen Einwilligung des Beklagten. Es ist weder
vorgetragen noch anderweitig ersichtlich, wieso gerade der Beklagte ein
mutmaßliches Interesse an dieser Werbung haben könnte. Ein allgemeines Interesse
Gewerbetreibender an der Eintragung in ein Branchenverzeichnis genügt nicht. Die
Klägerin bot ferner nur eine Leistung an, die nichts mit dem Kerngeschäft des
Beklagten zu tun hat. Es handelt sich ferner um eine Leistung, die eine Vielzahl von
Unternehmen anbieten. Es bestand zuvor auch keine Geschäftsbeziehung zwischen
den Parteien. Die Klägerin konnte daher nicht von einer mutmaßlichen Einwilligung
des Beklagten ausgehen. Der spätere Vertragsschluss führt auch nicht rückwirkend
zu einer Einwilligung, da es auf den Zeitpunkt vor dem Anruf ankommt (s.o.).
Dieser Eingriff erfolgte auch rechtswidrig. Die hier wegen des Rahmenrechts
vorzunehmende Interessenabwägung fällt zu Lasten der Klägerin aus. Auch insoweit
kommt es ausschließlich auf den Zeitpunkt vor dem Anruf an. Der spätere
Vertragsschluss ist daher irrelevant. Das Interesse des Beklagten ist aber höher
einzustufen als das Interesse der Klägerin an einer möglichst bequemen und
kostengünstigen Werbung. Der Beklagte wird hier an seinem (grundrechtlich
geschützten) Recht auf ungestörte Betriebsausübung gehindert. Der Klägerin
hingegen wäre es ein leichtes ihre Werbemaßnahmen auch so durchzuführen, dass
die Anzuwerbenden nicht derartig gestört werden.
bb)
Es besteht zudem eine Wiederholungsgefahr. Diese wird durch den rechtswidrigen
Anruf indiziert (vgl. OLG Hamm a.a.0.) und ist auch nicht weggefallen. Der Beklagte
hat durch den Vertragsschluss zwar in weitere Werbemaßnahmen eingewilligt, durch
sein Kündigungsschreiben vom 10.10.2019 hat er aber unmissverständlich zum
Ausdruck gebracht, dass er keine weiteren Anrufe wünscht. Die Klägerin hingegen
hat während des gesamten Rechtsstreits noch die Auffassung vertreten, nicht zu einem Unterlassen der Werbeanrufe verpflichtet zu sein, nicht einmal nach Ende der Vertragslaufzeit.
cc) Es besteht auch keine Duldungspflicht des Beklagten im Sinne des § 1004 Abs. 2 BGB.“
Siehe auch:
[Mehr zu der Doppel-Anruf-Masche]
[Callcenter - Maschinenräume der Abzockerszene]
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