Noch ein Urteil des Landgericht Schwerin: wieder Freiheitsstrafe für Doppel-Anruf-Masche
05.05.2021 – Noch ein Strafurteil gegen eine frühere Doppel-Anruf-Masche-Werberin wurde uns jetzt bekannt. Das Landgericht Schwerin (LG Schwerin, Urteil vom 17.11.2020 – 257 Js 26152/17 34 KLs 03/19) verurteilte sie wegen Betruges und versuchten Betruges zu einer Freiheitsstrafe von neun Monaten auf Bewährung.
Das Urteil ist nicht wegen der Verurteilten lesenswert; die war nur ein kleines Licht. Sondern weil es eine der von "der Szene" benutzten Maschen gut beschreibt.
"Eintrag in den Internetseiten […] fast nutzlos"
Das liest sich so:
Der Angeklagten fiel es schwer, solche Gespräche mit den zumeist überraschten potentiellen Kunden zu führen, deshalb waren der Erfolg ihrer Arbeit […] relativ gering.
Ihre Tätigkeit bestand darin, sich über das Internet in bereits bestehenden Branchenverzeichnissen Kontaktdaten potentieller auswärtiger Gewerbekunden zu verschaffen und Kopien der jeweiligen Firmendaten in die von ihr gepflegten Verzeichnisse zu übernehmen. In den Telefongesprächen erklärte die Angeklagte ihren jeweiligen Gesprächspartnern der Wahrheit zuwider, dass ein bereits bestehender, aber zunächst zeitweilig kostenfreier Eintrag in Das jeweils genannte Branchenverzeichnis mangels rechtzeitiger Kündigung nunmehr für einen bestimmten Zeitraum kostenpflichtig geworden sei. Mit der angebotenen Möglichkeit, Änderungen einzupflegen, sollte den Geschädigten zusätzlich eine bestehende vertragliche Verbindung suggeriert werden. Man könne den Eintrag zwar auch jetzt noch loschen, allerdings erst nach einer kostenpflichtigen (angeblich weiteren) Mindestlaufzeit. Dabei ging es ihr um die Bezahlung dieses Zeitraumes, den sie bei Bedarf auf minimal ½ Jahr kürzte, um den Geschädigten das Gefühl zu vermitteln, sie seien bei der Angelegenheit noch gut weggekommen.
Für eine angeblich weitere Laufzeit von ½ Jahr wurden - abhängig vom Gesprächsverlauf - grundsätzlich 99,00 €, für 1 Jahr 199,00 € und für 2 Jahre 299,00 € zuzüglich Mehrwertsteuer gefordert, zumeist mit einem anschließenden Löschungsversprechen. Danach versandte die Angeklagte entsprechende Rechnungen und Auszüge vom Inhalt der Einträge an die zuvor kontaktierten Unternehmen bzw. die für diese handelnden Personen. Die Ansprechpartner bzw. Firmeninhaber, welche den nicht den Tatsachen entsprechenden Behauptungen der Angeklagten Glauben schenkten, gingen spätestens nach Erhalt von Rechnungen und nachfolgenden Zahlungserinnerungen sowie Mahnungen oder gar Androhung von Inkassomaßnahmen irrig davon aus, aufgrund einer wirksamen vertraglichen Verpflichtung zur Zahlung an die Angeklagte verpflichtet zu sein. Tatsachlich war mangels einer entsprechenden Einigung weder ein Vertrag zustande gekommen noch eine Vergütung geschuldet. Keiner der kontaktierten Geschädigten hatte nämlich von sich aus einen Eintrag auf der jeweiligen Internetseite selbst oder durch die Angeklagte veranlasst oder ein Interesse an der telefonischen Kontaktaufnahme bekundet. Im Übrigen war der zusätzliche Eintrag auf den Internetseiten gewerbe-verzeichnis24.de, barango.de bzw. regional-gewerbe-verzeichnis.de für die bereits anderweitig über das Internet auffindbaren Geschädigten fast nutzlos und von diesen auch deshalb nicht gewollt. Eine angemessene Gegenleitung für die Zahlung der Rechnungsbeträge ist ihnen jedenfalls nicht zuteilgeworden.
Diese Umstände waren der Angeklagten bewusst, insbesondere auch, dass sie aufgrund ihrer wahrheitswidrigen Erklärungen keinen Anspruch auf die in Rechnung gestellten bzw. vereinnahmten Beträge hatte. In den Fällen, in denen sich Geschädigte vehement selbst oder mit anwaltlicher Hilfe gegen die Inanspruchnahme zur Wehr setzten, stornierte die Angeklagte die Rechnungen und löschte die Einträge. Denn ihr war bewusst, dass sie die scheinbaren Forderungen ohne das Risiko juristischer Auseinandersetzungen nicht würde durchsetzen können und ein weitergehendes Handeln nicht mehr zum Ziel geführt hatte. Zudem drohte in solchen Fällen die Gefahr einer Anzeigenerstattung gegen die Angeklagte und ihrer anschließenden strafrechtlichen Verfolgung, was einige der angesprochenen Personen für den Fall der Aufrechterhaltung von Zahlungsforderungen bereits angekündigt hatten. Das suchte die Angeklagte in jedem Fall zu vermeiden.
Die Angeklagte führte alle mit der Anzeigenberatung verbundenen Telefongespräche persönlich und erstellte auch die Schriftsatze und Rechnungen nach den ihr bekannten, ähnlich auch von den anderweitig Verfolgten […] verwendeten, Mustern selbst. Dabei erzeugte sie den Anschein, dass ihr Unternehmen über mehrere Mitarbeiter, so im Kundenservice und in der Buchhaltung verfügt. Wahlweise tauchten in den von ihr verfassten Schriftsätzen erfundene Namen wie "G. Krüger", "M. Schmidt" und "K. MüIIer" auf, teilweise mit entsprechenden Unterschriften. In einigen Fällen meldete sie sich auch telefonisch mit einem falschen Namen […]“
Die geschädigten Unternehmer haben der Angeklagten die Tatbegehung - jedenfalls in den vollendeten Fallen - relativ leichtgemacht, denn sie haben oftmals die Forderung ungeprüft akzeptiert.“
Die Entscheidung ist rechtskräftig.
Das Landgericht Schwerin urteilte auch in einem Parallelverfahren:
[Zum Blog-Beitrag vom 01.04.2021 - Landgericht Schwerin: Freiheitsstrafe für Doppel-Anruf-Masche]
Siehe auch:
[Mehr zu der Doppel-Anruf-Masche]
[Callcenter - Maschinenräume der Abzockerszene]
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