Anzeigenbetrug mit der Kölner Masche

Eine verbreitete Methode zweifelhafter Firmen, an Werbe-Aufträge von Gewerbetreibenden und Freiberuflern zu gelangen, ist die „Kölner Masche“; sie heißt so, weil sie vor zwanzig Jahren in großem Umfang aus Köln angewandt wurde. Manche nennen sie auch „Fax-Masche“, denn das Faxgerät spielt bei dieser Form der Abzocke eine wichtige Rolle.


Erst eine Legende - dann kommt ein Fax

Ein Strafurteil des Landgericht Mainz beschreibt die Kölner Masche ausführlich:

Bei Gewerbetreibenden, die in der Vergangenheit Anzeigen geschaltet hatten, zum Beispiel in Publikationen von Gemeinden, Städten, Kirchen oder Vereinen, wird angerufen. Man bezieht sich auf diese Anzeige und suggeriert, für den Verlag zu arbeiten, der diese Zeitschriften, Flyer oder Broschüren herausgibt. Und fragt, ob man in der nächsten Ausgabe wieder dabei sein wolle.

Je nachdem, ob das bejaht oder verneint wird, kommt die nächste Lüge. Man werde gleich ein Fax senden. Das müsse unterschrieben und zurückgeschickt werden. Denen, die ihre Anzeige auch in der nächsten Ausgabe dieser Publikation wieder sehen wollen, wird die eine oder andere Geschichte vorgegaukelt:

  • Es ginge um eine Neuauflage eben dieser Publikation. Dafür könne jetzt der Auftrag erteilt werden.
  • Es müsse die Druckvorlage freigegeben werden.
  • Es soll mit der Rückübersendung des unterschriebenen Vordrucks lediglich die Richtigkeit der Anschrift bestätigt werden.
  • Der Angerufene habe die Anzeige bereits bezahlt. Deren Druck sei neugestaltet worden. Man brauche die Freigabe.

Wer erklärte, kein Interesse mehr zu haben, bekommt am Telefon etwas anderes zu hören. Dies zum Beispiel:

  • Das mache nichts, die Anzeige werde im Rahmen einer Neuauflage im Rahmen des bestehenden Vertragsverhältnisses noch einmal, aber kostenlos verwendet werden.
  • Mit der Unterschrift soll die Kündigung des bestehenden Vertrages bestätigt werden.
  • Es solle lediglich die Laufzeit eines bestehenden Werbevertrages bestätigt werden; die Unterschrift solle wegen der „automatischen Kündigung“ erfolgen, dafür sei eine Schriftform nötig.
  • Der Auftrag sei bereits mündlich erteilt worden und die Kosten seien schon entstanden, weil der Druck begonnen habe. Aus rechtlichen Gründen sei es doch noch nötig, das Ganze schriftlich festzuhalten.

So unterschiedlich diese Legenden auch sind, haben sie doch eines gemeinsam. Es müsse ganz schnell gehen. Entweder, weil die Druckerei schon warten würde. Oder weil die Kündigungsfrist schon fast abgelaufen sei.

Das angekündigte Fax kommt kurz darauf. Tatsächlich ist darin auch die Anzeige abgebildet, die man bereits in der Vergangenheit geschaltet hatte. Viel - im wahrsten Sinne des Wortes - Kleingedrucktes gibt es. Doch wer liest das schon? Mitunter nicht einmal Juristen. Außerdem ist es durch die Fax-Übertragung recht unleserlich geworden. Also verlässt man sich darauf, dass alles seine Richtigkeit habe, schließlich hatte man es gerade am Telefon besprochen, außerdem eilt es – und unterschreibt.

Nicht jeder Gewerbetreibende oder Freiberufler hat noch ein Faxgerät. Statt eines Telefax erhalten die dann mitunter ihr Formular per E-Mail. Was allerdings in der Szene der Abzocker mit der Kölner Masche nicht ganz so beliebt ist. Das muss erst ausgedruckt, unterschrieben und wieder eingescannt werden. Und die Übertragungsqualität ist besser. Doch je mehr Zeit vergeht und je besser das Formular zu lesen ist, desto größer ist die Gefahr, dass sich die Angerufenen fragen, was sie eigentlich unterschreiben – und der ganze Schwindel auffliegt.


Was ist die Gegenleistung?

Die böse Überraschung kommt bald darauf in Form der Rechnung einer bis dahin unbekannten Firma. Für eine häufig wertlose, zumindest aber überteuerte Gegenleistung. Wenn es überhaupt eine Gegenleistung gibt. Mitunter wird einfach nur abkassiert, beschrieb es das Landgericht Mainz in seinem Urteil.

Manchmal ist die Gegenleistung auch nur ein "Internet-Buch", ein Eintrag in einem Internet-Branchen-Verzeichnis. Das nicht beworben wird, weshalb es niemand kennt und keiner es nutzt. Das Landgericht Wuppertal sah die Aufnahme in derartige Verzeichnisse als quasi wertlos an.

Wenn nicht gezahlt wird, wird Druck aufgebaut. Mit Mahnungen, letzten und allerletzten Mahnungen. Inkassobüros, die mit einer Verschlechterung der Bonität bei Schufa, Creditreform & Co. drohen; etwas, was sich Gewerbetreibende nicht leisten können. Wer nicht reagiert, erhält mitunter einen gerichtlichen Mahnbescheid oder eine Klage; weil darauf spekuliert wird, dass dann immer noch keine Reaktion kommt und man so an einen Vollstreckungstitel gelangen kann. In der Tat: mancher wacht erst dann auf, wenn sich der Gerichtsvollzieher angekündigt hat – und es zu spät ist.

Wer glaubt, seine Ruhe zu haben, wenn gezahlt wird, sieht sich häufig getäuscht. Dann, wenn es auf dem Formular heißt, dass man sich für ein oder zwei Jahre gebunden habe. Und jedes Jahr drei bis sechs Mal eine Rechnung kommt. Da geht es teilweise um hohe vierstellige Beträge.


Hinterleute, die ihre Spuren verwischen

Die Namen dieser speziellen Werbefirmen ändern sich in rascher Folge. Neue werden gegründet, alte liquidiert. Doch es sind meist dieselben Hinterleute, die mit der Kölner Masche arbeiten. Sie hoffen, auf diese Weise ihre Spuren verwischen zu können. Sie sitzen überwiegend in Deutschland. Ein regionaler Schwerpunkt ist das Land Rheinland-Pfalz, und dort der Großraum um Bad Kreuznach.

Manche haben den schmutzigsten Teil des Geschäfts, die Trickanrufe mit ihren Lügen, ausgelagert. An Call-Center im Ausland, wobei die Türkei, von Istanbul bis nach Antalya sehr beliebt ist. Mancher Deutsche, der dorthin ausgewandert ist, verdient sich damit sein Geld, ohne dass eine allzu starke Sprachfärbung Verdacht erregt. Wenn ein Vertrag zustande kommt und gezahlt wird, erhalten die Center nach uns bekannt gewordenen Verträgen bis zu 40% Provision. Gern nehmen die Werbefirmen einen Nebeneffekt dieses Outsourcings der Gaunerei mit: wenn es kritisch wird, erklären sie, von der Legendenbildung in den Anrufen nichts gewusst zu haben. Das sei Sache der Call-Center gewesen.


Die modifizierte Kölner Masche:
ein Anzeigenwerber kommt

Andere Firmen haben die "Kölner-Masche" modifiziert. Sie arbeiten nicht mit Telefon, Fax oder E-Mail. Stattdessen kommt unvermittelt ein Anzeigenwerber. Besonders gerne dann, wenn es nicht passt, weil Zeitdruck besteht. Zu Ärzten beispielsweise – wenn das Wartezimmer voll ist. "Kaltansprache" nennt sich so ein Vorgehen. Die bisher verwendete Anzeige wurde säuberlich ausgeschnitten, auf ein anderes Blatt kopiert und gezeigt. Die nächste Ausgabe werde vorbereitet, es müsse schnell noch etwas unterschrieben werden, heißt es. Auf dem Formular, das dann vorgelegt wird, ist erst einmal nichts zu sehen, was einen Verdacht schöpfen lässt. So wird schnell unterschrieben und die Falle schnappt zu.

Häufig kommt es auch zu einer Zwei- und Drittverwertung der besonderen Art. Einige Tage später taucht noch ein Vertreter auf und bezieht sich auf den Besuch seines Kollegen. Es würde noch eine Unterschrift fehlen, der Kollege hätte das vergessen. Schnell wird die vermeintlich fehlende Unterschrift nachgeholt. Das Formular sieht zwar so ähnlich aus, wie das vor einigen Tagen vorgelegte. Doch der Firmenname ist ein anderer. Und damit, so diese Firmen, wurde noch ein weiterer Vertrag geschlossen.

Dann gibt es noch die Vertreter, bei denen sich meinen ließe, dass die ihr Handwerk beim Hütchenspiel oder ähnlichen Gelegenheiten erlernt hätten; wenn auf einmal die Unterschriften des Kunden auf einer Vielzahl von Formularen auftauchen. Mit enstprechend vielen verschiedenen Aufträgen, die so erteilt sein sollen.

Auch in den mit der modifzierten Kölner Masche verwendeten Formularen ist in der Regel von einer längeren Vertragsbindung die Rede. Und davon, dass in dieser Zeit in teils dichter Folge Rechnungen zu erwarten sind. Wenn es gelang, dem Kunden auch noch Formulare anderer Firmen unter zu schieben, werden auch schon fünfstellige Beträge erreicht, die man insgesamt verlangt.


"Und verbleiben stets …" - Die Informationsbeschaffung
der Werbe-Firmen

Am Schluss bliebe noch die Antwort auf die Frage, wie die Kölner-Masche-Werbefirmen an die ursprünglich geschalteten Anzeigen gelangen. Ganz trivial. Mit solchen oder ähnlichen Schreiben:

Beispiel einer Anfrage an Gemeinden - Auszug



(Bearbeitungsstand: 11.04.2022)



In der Abzockerszene hasst man ihn: in einem Blog berichten wir regelmäßig über solche und andere Firmen, veröffentlichen Hintergründe und Interna.

[Neues aus der Welt der Abzocker und Werbeverlage]



Wie läuft es im Inneren einer Kölner-Masche-Firma ab? Ein ehemaliger Mitarbeiter packte aus:

[Interna aus dem Maschinenraum der Kölner Masche: eine Stadt in Rheinland-Pfalz]


Neu ist er nicht:

[Seit über 100 Jahren: Inseratenschwindel, damals so wie heute]



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