Architekt haftet für Planungsfehler, auch wenn Bauherr mit Ausführung einverstanden war
17.09.2015 – Wer einen Architekten beauftragt, geht davon aus, dass dieser eine Planung erstellt, die keine Mängel aufweist. Sollte das aber doch der Fall sein, haftet der Architekt für seinen Fehler.
Dass der Architekt sich dann nicht darauf berufen kann, der Bauherr sei mit seiner fehlerhaften Planung einverstanden gewesen, stellte das Oberlandesgericht Düsseldorf (OLG Düsseldorf, Urteil vom 19.11.2013 - 23 U 32/13) fest. Die Entscheidung wurde nun rechtskräftig, nachdem der Bundesgerichtshof (BGH, Beschluss vom 25.06.2015 – VII ZR 334/13) eine Beschwerde wegen der Nichtzulassung einer Revision zurückwies.
Die in dem Prozess verklagten Architekten müssen jetzt 59.000,00 € Schadensersatz zahlen.
Nach Sanierung: Risse an den Balkonen
Im Raum Düsseldorf sollten 50er-Jahre–Mehrfamilienhäuser saniert werden. Die Hauseigentümerin beauftragte Architekten, die Sanierung zu planen und zu beauftragen. Die Architekten machten ihre Arbeit. Sie planten, eine Baufirma wurde beauftragt und Ende 2001 war alles fertig. Die Architekten übersandten ihre Rechnung und bekamen ihr Geld.
Die Freude an der Sanierung hielt nicht lange an. Mitte des Jahres 2003 zeigten sich Schäden an den Balkonen der Mehrfamilienhäuser. Es traten Risse auf. Man hielt die Baufirma für die Schuldige - und die sah das wohl auch so. Jedenfalls führte sie Nachbesserungsarbeiten aus.
Sachverständiger: eine Fehlplanung der Architekten
Doch im Jahr 2006 wiederholte sich das Problem. Wieder gab es Risse an den Balkonen auf. Doch jetzt fühlte sich keiner mehr dafür verantwortlich. Die Hauseigentümerin ließ ein selbstständiges Beweisverfahren durchführen, ein Sachverständiger wurde vom Gericht beauftragt und erstellte ein umfangreiches Gutachten. Seine Feststellungen waren für die Architekten nicht schmeichelhaft. Es lag ein Planungsfehler vor, Fugen waren nicht vorgesehen worden. Die Baufirma konnte mit einer solchen Planung überhaupt kein mängelfreies Werk erstellen.
Urteil: die Architekten haften
59.000,00 € Schadensersatz verlangte schließlich die Hauseigentümerin von den Architekten wegen der Fehlplanung. Der Schaden war wohl richtig berechnet. Die Architekten – wahrscheinlich aus dem Hintergrund deren Haftpflichtversicherung - meinten jedoch, sie müssten überhaupt nichts bezahlen. Ihr Argument: Die Bauherrin hätte sich doch die Planung angesehen und sei damit einverstanden gewesen. Das überzeugte die Düsseldorfer Richter nicht. Aus dem Urteil:
„Unzutreffend ist auch die Argumentation der Beklagten, die Klägerin habe auf Fugen und die Ausführung eines ordnungsgemäßen Gefälles bewusst verzichtet. Denn ein solches Einverständnis der Klägerin besagt nichts dazu, dass sie mit einer mangelhaften Planung und Ausführung und dem Auftreten von Rissen im Bodenbelag einverstanden gewesen wäre. Nach den Ausführungen des Sachverständigen ist davon auszugehen, dass die fehlenden Fugen erheblichen Anteil an den Rissbildungen haben und es sich zudem hätte aufdrängen müssen, dass es zu Rissen im Bodenbelag kommen würde. Indem die Beklagten auf diese nahe liegende Möglichkeit nicht hingewiesen haben, haben sie der Klägerin die Möglichkeit genommen, eine sachgerechte Entscheidung zu treffen. Dazu, dass sie die Klägerin eingehend auf Risiken und Folgen ihrer Sanierungsplanung hingewiesen hätten und die Klägerin die Bedeutung und Tragweite des Risikos erkannt hätten und deshalb ihre Planung fehlerfrei war […], tragen die Beklagten nicht vor […]
Allein das etwaige Einverständnis der Klägerin mit der von den Beklagten geplanten Art und Weise der Sanierung vermag demgegenüber die Haftung der Beklagten nicht auszuschließen. Die Betrachtungsweise der Beklagten widerspricht dem funktionalen Mängelbegriff [...].
Nach Maßgabe dieser Grundsätze hatte die Beklagten eine zu einem dauerhaften mangelfreien Werk führende Sanierungsplanung unabhängig davon zu erstellen, ob die Klägerin der Ansicht war, Fugen müssten nicht ausgeführt werden. Sie können sich daher nicht darauf berufen, sie hätten eine Anweisung der Klägerin auftragsgemäß „abgearbeitet“ oder sie hätten sich an die Vorgaben des Herrn O gehalten. Die Vereinbarung eines bestimmten Planungsdetails beschränkt die Erfolgshaftung des Architekten nicht.“
Das Fazit des Düsseldorfer Urteils:
Die Entscheidung ist richtig. Wer Fachleute, zum Beispiel Architekten, beauftragt, geht davon aus, dass die ihre Arbeit richtig machen. Schließlich sind sie die Spezialisten in ihrem Gebiet. Man macht sich dann keine Gedanken darüber, ob die Arbeit dieser Fachleute eventuelle Fehler hat.
Sollten im Düsseldorfer Fall die Architekten tatsächlich gewusst haben, dass ihre Planung mangelhaft ist, hätten sie die Bauherrin darüber aufklären müssen. Und zwar mit so deutlichen Worten, dass diese auch versteht, was ihr droht. Nämlich Risse an den Balkonen. Wenn sie dann trotzdem mit einer solchen Pfusch-Planung einverstanden gewesen wäre, wäre ihr nicht zu helfen gewesen. Sie hätte keinen Schadensersatz erhalten. Aber auch nur in diesem Fall.
Mit dem Thema Architekt und Fragen rund um seine Tätigkeit haben wir uns in unserem Blog schon öfter beschäftigt. Zum Beispiel mit Fragen zum Architektenhonorar:
[Zum Bau-News-Beitrag vom 10.04.2017: Kein Anspruch des Architekten, Pfusch selber zu beseitigen]
[Zum Blog-Beitrag vom 02.07.2017: Architekt kann normalerweise nicht Aufträge für Bauherrn auslösen]
Haben Architekten eigentlich Urheberrechtsansprüche für Ihr Werk und können sie damit lange nach Ende ihrer Arbeit dem Bauherrn ihre Wünsche aufzwingen? Theoretisch ja, praktisch aber viel seltener als mancher Architekt denkt:
[Zum Bau-News-Beitrag vom 17.08.2013: Urheberrechtsschutz des Architekten – nicht jedes Wohnhaus ist ein Kunstwerk]
[Zum Bau-News-Beitrag vom 09.05.2014: OLG Frankfurt am Main: einmal darf man Architektenplan präsentieren - dann keine Urheberrechtsverletzung]
Außerdem:
[Zum Bau-News-Beitrag vom 26.01.2014: Das Eigenheim mit einem Architekten bauen?]
[Zum Bau-News-Beitrag vom 03.05.2012: Was gehört in ein Bautagebuch - Urteil des Kammergericht]
Ihr Ansprechpartner: Claus Radziwill, Rechtsanwalt und
Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht, Berlin
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