Urteil: Barzahlung vor Baubeginn kann Indiz für Steuerhinterziehung sein
23.05.2019 - Wenn einem Handwerker vor Beginn der Arbeiten 3.800 Euro in bar gegeben wurden, ohne dass dafür eine Rechnung vorliegt, spricht das dafür, dass der Betrag nicht versteuert werden sollte. Oder anders formuliert: dass Schwarzarbeit vereinbart wurde. Darauf wies das Oberlandesgericht Schleswig-Holstein (OLG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 07.01.2019 - 7 U 103/18) hin.
Eine der Folgen von Schwarzarbeit kann besonders bitter sein: der Auftraggeber hat jegliche Gewährleistungsansprüche verloren.
Eine verhängnisvolle Idee
Es war Mitte 2015, in Schleswig-Holstein: Handwerksarbeiten standen in einem Haus an. Doch das Kostenangebot, das der Handwerker machte, überzeugte die Eheleute nicht. Zu teuer. Gemeinsam mit dem Handwerker kam man auf eine Idee: ein Teil wird vorab in bar gezahlt. Ohne Rechnung. Der andere Teil nach Abschluss der Arbeiten.
Als der Handwerker vor Ort erschien, erhielt er 3.800 Euro bar auf die Hand. Ohne eine Rechnung. Die schrieb er nach Abschluss der Arbeiten, am 09.06.2015: über 6.027,14 Euro zzgl. MwSt. Kein Wort fand sich darin von den geleisteten 3.800 Euro.
Mängel für über 20.000 Euro
Die Freude der Eheleute über die günstige Handwerkerarbeit hielt nicht lange an. Mängel traten auf. Warum auch immer. Der Handwerker sah sich dafür nicht in der Haftung und weigerte sich, etwas zu tun. Ein Sachverständiger stellte schließlich fest, dass eine Mängelbeseitigung rund 20.200 Euro kosten würde.
Die wollten die Eheleute vom Handwerker haben. Als Vorschuss für die Beauftragung einer anderen Firma. Der Handwerker zahlte nicht. Schließlich verklagte man ihn.
In der ersten Instanz vor dem Landgericht ging es für die Eheleute nicht gut aus. War doch das Wort Schwarzarbeit aufgetaucht. Doch sie gaben noch nicht auf. Und legten Berufung beim Oberlandesgericht ein. Bezüglich der Schwarzarbeit sahen sie sich auf der sicheren Seite. Hatte der Ehemann sich doch eine Quittung vom Handwerker geben lassen. "3.800 Euro erhalten" stand darin. Außer dem Datum und der Unterschrift dann aber auch nicht mehr. Insbesondere kein Hinweis auf die Mehrwertsteuer.
OLG: auf das Gesamtbild kommt es an
Das Oberlandesgericht war nicht überzeugt. Wenn man sich das Gesamtbild anschaut, spricht alles für die Vereinbarung von Schwarzarbeit, teilte man in einem Beschluss mit. Die Berufung habe deshalb keine Aussicht auf Erfolg. Aus dem Beschluss:
“Die unstreitige Barzahlung des Klägers zu 2) an den Beklagten über 3.860 € zu Beginn der Arbeiten ist zur Überzeugung des Senats nur so zu erklären, dass der Beklagte diesen Teil der Zahlung mit Billigung der Kläger nicht versteuern wollte.
Die Angabe der Kläger, hierbei habe es sich nach ihrem Verständnis um einen „Vorschuss“ gehandelt, ist ersichtlich eine Schutzbehauptung. Zum einen ist nicht plausibel, warum eine Zahlung dieser Größenordnung nicht mittels Überweisung erfolgt ist. Auch wenn Barzahlungen in dieser Höhe grundsätzlich rechtlich unproblematisch zulässig sind, haftet ihnen gleichwohl ein Risiko an, etwa des Verlustes auf dem Transportweg, das im Rechtsverkehr zumeist bei Beträgen dieser Größenordnung vermieden wird. Einen einleuchtenden Grund dafür, warum der Kläger zu 2), der nach seiner Darstellung das Geld „von der Bank“ geholt habe […], nicht den Bankbesuch zur Überweisung des Betrags an den Beklagten nutzte, hat er nicht mitgeteilt.
Die Unredlichkeit der Kläger im Hinblick auf die Barzahlung wird spätestens mit ihrer Nichtreaktion auf die Abrechnung vom 9. Juni 2015 […] deutlich, weil dort zum einen nicht (wie bei Schlussrechnungen nach Vorschuss üblich) die Vorschusszahlung in Abzug gebracht wurde. Zum anderen geht aus der Rechnung hervor, dass der Umsatzsteuerbetrag nur auf eine Nettoauftragssumme von 6.027,14 € bezogen war […] Da die Quittung einen Mehrwertsteueranteil nicht aufwies, lag die Absicht der Verkürzung der Umsatzsteuer auf der Hand. Ein redlicher Besteller hätte im Wissen um die Barzahlung bei Kenntnisnahme der Rechnung remonstriert und um Aufnahme der Vorschusszahlung und Ausweisung des Umsatzsteueranteils gebeten. Dies taten die Kläger allerdings nicht.
Es ist nicht zu beanstanden, dass das Landgericht die vorgelegte Quittung über die Barzahlung nicht als entscheidendes Indiz bei der Beurteilung des Vorliegens einer Schwarzgeldabrede angesehen hat. Denn die Quittung […] enthält einen Mehrwertsteuerausweis gerade nicht und ebenso wenig einen Betreff. Sie ist mithin für die Dokumentation gegenüber Behörden und Finanzämtern offensichtlich ungeeignet. Der einzig plausible Zweck kann darin bestehen, dass damit im Verhältnis zwischen den Parteien im Streitfall eine Zahlung dokumentiert werden kann. Dazu passt auch die Erklärung des Klägers zu 2), er habe einen „Nachweis“ haben wollen. Dies beseitigt aber keineswegs den Zweck einer Schwarzgeldzahlung.
Und die Folge von Schwarzarbeit sei, so das Gericht weiter, dass keine Gewährleistungsansprüche durchgesetzt werden können.
Alle verlieren bei Schwarzarbeit
Es wundert, dass immer noch solche Prozesse geführt werden. Seit vielen Jahren steht fest, dass dann, wenn Schwarzarbeit vereinbart wurde – und sei es auch nur für einen Teilbetrag - alle verlieren. Der Handwerker ist auf den guten Willen seines Kunden angewiesen; sonst hat er keine Möglichkeit, an sein Geld zu kommen. Ein fast noch größeres Risiko geht der Auftraggeber ein. Weil er jegliche Gewährleistungsansprüche verliert. So wie in dem vom Oberlandesgericht Schleswig-Holstein entschiedenen Fall. Um unter dem Strich vielleicht 1.000 Euro eingespart zu haben, ist man jetzt auf Mängelbeseitigungskosten in Höhe von über 20.000 Euro sitzengeblieben.
In weiteren Beiträgen unserer Bau-News hatten wir uns schon öfter mit dem Thema Schwarzarbeit beschäftigt:
[Zum Bau-News-Beitrag vom 04.05.2016: Handwerker ohne Gewerbeanmeldung muss trotzdem bezahlt werden]
[Zum Bau-News-Beitrag vom 26.06.2018: Schwarzarbeit vergeben – Zuschuss aus Fördermitteln weg]