Vorsicht Haftungsfalle: wenn ein Architekt auf Jurist macht
29.07.2020 – Eine Zahnbehandlung vom Bäcker? Ein chirurgischer Eingriff vom Metzger? Absurd werden Sie denken. Doch es kommt immer wieder vor: dass Leute, die keine juristische Ausbildung haben, sich zur Erbringung juristischer Leistungen hinreißen lassen. Wenn die dann falsch war, haften sie. Das zeigt ein Beschluss des Oberlandesgerichts Koblenz (OLG Koblenz, Beschluss vom 07.05.2020 – 3 U 2182/19).
Ein Architekt muss jetzt Schadensersatz zahlen.
Streit mit Baufirma
Im Raum Koblenz wurde ein Einfamilienhaus saniert. Die Hauseigentümerin beauftragte einen Architekten mit der Ausführungsplanung und der Mitwirkung bei der Vergabe der Bauleistungen. Warum auch immer – mit einer der Baufirmen gab es schon recht bald Streit. Der angesprochene Architekt wusste vermeintlich guten Rat: er empfahl den Bauvertrag fristlos zu kündigen. Da die Bauherrin nicht wusste, wie man so etwas richtig formuliert, setzte der Architekt gleich auch noch das Kündigungsschreiben auf.
Die Baufirma war schockiert, als sie das las. Hatte sie doch nach ihrer Meinung keinen Grund zu einer fristlosen Kündigung gegeben. Sie beauftragte einen Anwalt. Der schrieb an die Eigentümerin und legte dar, dass eine sogenannte freie Auftraggeberkündigung vorläge. Ein Auftraggeber darf zwar jederzeit und ohne Grund einen Bauauftrag kündigen. Muss dann aber den entgangenen Gewinn ersetzen. Genauso war es hier. Über 12.700 € verlangte der Anwalt der Baufirma von der Eigentümerin.
Jetzt erst ging auch die Hauseigentümerin zu einem Anwalt. Der klärte sie zuerst einmal darüber auf, dass eine fristlose Kündigung nicht möglich gewesen wäre. Der Anwalt war dann aber sein Geld wert. Er handelte den von der Baufirma berechneten Schadensersatz auf weniger als 40 % herunter, nämlich 5.200 €.
Diese 5.200,00 € zzgl. der Kosten ihres eigenen Anwalts in Höhe von 2.036 € verlangte die Bauherrin nun vom Architekten. Als Schadensersatz für seine falsche Rechtsberatung.
Der Architekt gab sich ahnungslos. Und zahlte nicht.
Unzulässige Rechtsdienstleistung
Die Sache kam vor Gericht. In der ersten Instanz, vor dem Landgericht Trier, ging es für den Architekten nicht gut aus. Doch der gab noch nicht auf und legte Berufung ein, zum Oberlandesgericht Koblenz. Dort sahen die Richter die Sache aber ähnlich, wie ihre Kollegen aus Trier. In einem Beschluss empfahlen sie dem Architekten, die Berufung zurückzunehmen. Mit der Empfehlung einer Kündigung des Vertrages und der Formulierung eines Kündigungsschreibens habe er eine nach dem RDG-Rechtsdienstleistungsgesetz unzulässige Rechtsdienstleistung erbracht.
Aus dem Beschluss:
„Dadurch, dass der Beklagte der Klägerin zur Kündigung des Vertrags mit der F-GmbH geraten und das Kündigungsschreiben vorbereitet hat, hat er eine gemäß § 3 RDG unzulässige Rechtsdienstleistung erbracht.
Rechtsdienstleistung ist jede Tätigkeit in konkreten fremden Angelegenheiten, sobald sie eine rechtliche Prüfung des Einzelfalls erfordert (§ 2 Abs. 1 RDG) […]. Dies war bei dem vom Beklagten gegebenen Rat sowie der Vorformulierung des Kündigungsschreibens der Fall. Es kommt für die Annahme einer Rechtsdienstleistung nicht entscheidend darauf an, ob der Beklagte - wie vom Landgericht festgestellt und von der Berufung angegriffen - die Frage, ob ein Vertrag mit der F-GmbH wirksam zustande gekommen ist, tatsächlich näher geprüft hat oder nicht. Eine Rechtsdienstleistung stellt es nämlich bereits dar, wenn in einer unklaren Vertragssituation zur Ausübung eines konkreten Gestaltungsrechts geraten wird. Bereits hierdurch wird jedenfalls beim Empfänger der Eindruck erweckt, der Erklärende sei zu einer rechtlichen Prüfung des Einzelfalls in der Lage und habe diese konkret auch vorgenommen.
Dies gilt erst recht, wenn die entsprechende Gestaltungserklärung sogar noch vorformuliert und deren Rechtswirksamkeit gegenüber dem Erklärungsempfänger bestätigt wird.
Gemäß § 3 RDG ist die selbständige Erbringung außergerichtlicher Rechtsdienstleistungen nur in dem Umfang zulässig, in dem sie gesetzlich zugelassen wird. Vorliegend kommt als Erlaubnistatbestand einzig § 5 Abs. 1 Satz 1 RDG in Betracht. Danach sind Rechtsdienstleistungen im Zusammenhang mit einer anderen Tätigkeit erlaubt, wenn sie als Nebenleistung zum Berufs- oder Tätigkeitsbild gehören [...]
Die Grenzen der erlaubten Nebenleistung werden jedenfalls dann verlassen, wenn der Architekt - wie hier - in Bezug auf die Geltendmachung konkreter Sekundärrechte im Außenverhältnis tätig wird […]. Hierbei handelt es sich in der Regel um komplexe Rechtsdienstleistungen, die häufig ein erhebliches Risikopotential für den Auftraggeber haben und damit den Angehörigen der rechtsberatenden Berufe vorzubehalten sind […]
Der Beklagte hätte als Architekt erkennen müssen, nicht zur Beratung über die Kündigung berechtigt zu sein. Nach eigenem Vorbringen in der Berufung ist ihm zudem bekannt, dass er als juristischer Laie zur Erbringung derart komplexer Rechtsdienstleistungen auch nicht in der Lage ist.“
Die 5.200,00 €, auf welche die Forderung der Baufirma heruntergehandelt worden war, müsse der Architekt deshalb zahlen. Und auch die Anwaltskosten, die der Bauherrin für diesen Verhandlungserfolg entstanden waren. Noch einmal aus der Entscheidung:
“Der Schadensersatzanspruch aus § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. §§ 2, 3 RDG umfasst auch die außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten der Klägerin für deren außergerichtliche Interessenwahrnehmung gegenüber der F-GmbH.“
Rechtskräftig
Der Architekt war danach so klug, die Berufung zurückzunehmen. Er hat dadurch die Hälfte der Gerichtskosten in der zweiten Instanz gespart.
Die Geschichte lehrt Zweierlei: zum einen sollte man sich als Architekt nicht allzu weit aus dem Fenster lehnen und Aufgaben übernehmen, für die ein Anwalt eine lange Ausbildung hinter sich gebracht hat. Und als Bauherr sollte man keinem Bäcker oder Fleischer vertrauen. Bei juristischen Fragen auch keinem Architekten. Sondern rechtzeitig zum Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht gehen.
Mit dem Thema Architekt und Fragen rund um seine Tätigkeit haben wir uns in unserem Bau-News-Blog schon öfter beschäftigt:
[Zum Bau-News-Beitrag vom 10.04.2017: Kein Anspruch des Architekten, Pfusch selber zu beseitigen]
[Zum Bau-News-Beitrag vom 25.01.2019: Seekiefernholz – nicht für Außenfassade an der Wetterseite]
[Zum Bau-News-Beitrag vom 05.02.2019: Architekt muss Verlegung von Altparkett nicht überwachen]
[Zum Bau-News-Beitrag vom 26.06.2019: Wenn der Bauherr schlauer als sein Architekt sein will...]
[Zum Bau-News-Beitrag vom 27.01.2020 - Architekt muss Anstrich mit Hartwachsöl nicht überwachen]
[Zum Bau-News-Beitrag vom 20.05.2020: Architekt ist pleite – Streichung aus der Architektenliste]
[Zum Bau-News-Beitrag vom 18.08.2020 - Verbraucher können (manchmal) Architektenvertrag widerrufen]