Bauernfängerei von den Kanaren: Oertlicher Telefonbuchverlag s.l.u und Online Auskunft CH-DE-AT

01.06.2014 mit Update vom 11.07.2014 – Fast jeder wird den Namen „Das Örtliche“ kennen: ihn trägt das offizielle Telefonbuch, in dem alle örtlichen Inhaber von Festnetzanschlüssen aufgeführt sind, sofern sie dem nicht widersprochen haben. Ein solches Telefonbuch gibt es seit Jahrzehnten. Die meisten Haushalte haben noch eines zu Hause, auch wenn es immer seltener benutzt wird.

Das positive Image des offiziellen Telefonbuches machen sich Betrüger zu Nutze, die vorgeben in Spanien zu sitzen, deren Hintermänner man aber in Ostwestfalen findet. Oertlicher Telefonbuchverlag s.l.u. heißt deren neue Firma. Sie gibt an, in San Bartalome de Tirajana auf der spanischen Insel Gran Canaria zu sitzen. Mit der Doppel-Anruf-Masche, mit Lug und Betrug, akquiriert sie Aufträge für einen Eintrag in ihrem privaten Internetverzeichnis oertlicher-telefonbuchverlag.info. Der Preis, den die Unternehmung Oertlicher Telefonbuchverlag s.l.u. haben möchte, ist hoch - die Gegenleistung niedrig.

In ihrem Windschatten segelt eine weitere Ganovenfirma unter falscher Flagge: Online Auskunft CH-DE-AT. Auch sie gibt eine Anschrift auf den Kanarischen Inseln an, einige Ecken weiter: in Santa Lucia de Tirajana, Gran Canaria. Sie verschickt Rechnungen für Werbung auf einer bereits gesperrten Internetseite: online-auskunft-ch-de-at.com.


Die Kanaren-Connection ist ruhiger geworden - aber nicht tot

In den letzten Monaten war es etwas ruhiger geworden um die Betrüger, die aus spanischen Gefilden mit Doppel-Anruf-Masche operieren. Ermittlungen der spanischen Behörden wurden bekannt. Einer der Big Player der Szene entwickelte eine Abneigung gegen Flüge von Deutschland nach Spanien. Flugangst wurde sie offiziell genannt, eher war es wohl die Sorge, beim Verlassen des Flugzeuges unliebsam angesprochen zu werden. Doch ganz will man das einträgliche Geschäftsmodell noch nicht aufgeben:

Man ruft bei einem Gewerbetreibenden oder Freiberufler an. Per Spam-Anruf. Der Anruf kommt von einem Call-Center. Auf den Kanarischen Inseln gibt es viele deutsche Auswanderer, die bei der dortigen Wirtschaftslage froh sind, wenn sie überhaupt etwas verdienen können und sei das Geschäft noch so schmutzig. Der Oertlicher Telefonbuchverlag s.l.u. versucht gleich zu Beginn seine tatsächliche Herkunft zu verleugnen. Er gibt an, in Frankfurt zu sitzen. Die Behauptung: bislang sei der Eintrag im örtlichen Telefonbuch kostenlos gewesen; jetzt sei auch „das Örtliche“ ins Internet gegangen. Es wird die Seite „oertlicher-telefonbuchverlag.info“ genannt, die bei den Angerufenen keine Assoziationen mit Spanien erweckt. Doch schildern wir weiter: Aufgrund dieser Weiterung sei es nicht mehr möglich, den Eintrag kostenlos anzubieten. Wenn der Angerufene zukünftig im Örtlichen Telefonbuch verzeichnet sein wolle, müsse er Geld zahlen, z. B. 279,00 EUR für ein Jahr. Anderenfalls könnte man ihn dort nicht mehr finden. Dass tatsächlich bisher mit der „Oertlicher Telefonbuchverlag s.l.u.“ keine Geschäftsverbindung besteht, dass diese Firma überhaupt nichts mit dem richtigen Örtlichen Telefonbuch zu tun hat, wird für die so Angesprochenen nicht klar. Sie glauben, wenn Sie dem Vertragsschluss nicht zustimmen, würden sie zukünftig nicht mehr im Telefonbuch verzeichnet sein. Also erklären sie sich mit der Zahlung einverstanden. In einem zweiten Telefonat lässt sich dann die Firma „oertlicher-telefonbuchverlag.info“ den Vertragsschluss bestätigen. Dieses Telefonat wird aufgezeichnet. Letztlich werden dabei die Daten so abgefragt, dass die Antworten nicht mehr als „Ja“ lauten müssen. Der Inhalt des ersten Telefongesprächs, die Lüge, man hätte es mit dem offiziellen Örtlichen Telefonbuch zu tun, wird daraus nicht deutlich.

Einige Tage später folgt die Rechnung. Immer noch nicht ist zu erkennen, mit wem man es bei der Firma „Oertlicher Telefonbuchverlag s.l.u.“ zu tun hat. Die auf Spanien hinweisende Rechtsformbezeichnung „s.l.u.“ fehlt. In der Rechnung heißt es nur „Oertlicher Telefonbuchverlag – Ihr Mediengestalter“ und es wird als Anschrift eine sogenannte Servicestelle in der Julius-Brecht-Str. 5 in 60433 Frankfurt genannt. Dort befindet sich ein Wohnhochhaus. Wahrscheinlich stellt jemand gegen etwas Geld seinen Briefkasten zur Verfügung. Als Bankverbindung wird die Deutsche Bank angegeben. Nur wer aufmerksam die IBAN kontrolliert, wird feststellen, dass es sich um eine spanische Filiale der Deutschen Bank handelt.

[Muster einer Rechnung und einer Zahlungserinnerung der Firma „Oertlicher Telefonbuchverlag s.l.u.]

Die Internetseite „oertlicher-telefonbuchverlag.info“ entspricht dem, was man von Firmen erwarten kann, die mit diesem Geschäftsmodell arbeiten. Wir haben mit den Suchworten „Rechtsanwalt“, „Notar“, „Zahnarzt“ und „Architekt“ gesucht. Als Postleitzahl hatten wir 10707 Berlin angegeben, das ist die westliche Berliner Innenstadt in Ku’damm-Nähe. Die Suche hatten wir auf einen Umkreis von 100 km erstreckt! Es wurde uns angezeigt: nichts! Genauer gesagt, der Satz „Leider konnten keine passenden Firmeneinträge zu Ihrer Suchanfrage gefunden werden.“


Wenn man einmal herein gelegt wurde...

Bei Firmen, die mit diesem Geschäftsmodell arbeiten, ist es üblich, eine Zweit- und Drittverwertung der besonderen Art zu versuchen. Sprich: wenn es gelungen ist, jemanden hereinzulegen, wird es bald darauf wieder versucht.

Zum Beispiel mit einer Firma online auskunft ch-de-at. Sie hat die Masche der Doppel-Anrufe modifiziert. Wieder wird mit einem Spam-Anruf gearbeitet. Die Behauptung: der Angerufene sei bislang mit einem Werbeeintrag auf der Seite online-auskunft-ch-de-at.com eingetragen gewesen. Der wäre bislang kostenlos und weil er nicht gekündigt wurde, müsste jetzt gezahlt werden; man wolle die Daten abgleichen. Den Einwand, derartiges sei nicht bekannt, kennt man im Call-Center. Diejenigen, die nicht das schmutzige Geschäft nach einigen Tagen hingeschmissen hatten, sind bald abgehärtet. Bestimmt und deutlich entgegnen sie, dass sei aber so registriert und man hätte nur die Möglichkeit jetzt für – meistens wird ein Jahr genannt – zu bezahlen oder aber für einen länger laufenden Eintrag, der wäre aber teurer. Dass tatsächlich vorher keine Geschäftsverbindung bestand, wird für die Angerufenen nicht deutlich. Sie glauben, in der Hektik des Geschäftsalltags etwas übersehen zu haben und jetzt noch am besten davon zu kommen, wenn sie die vermeintlich günstigste Möglichkeit wählen. Und bei der Gelegenheit auch gleich noch die Kündigung zuerklären, damit sich im nächsten Jahr nicht dasselbe wiederholt. Wieder kommt es zu einem zweiten Anruf, wieder lässt man sich den Vertragsabschluss bestätigen, wieder wird das Telefonat aufgezeichnet. Einige Tage später erfolgt die Rechnung – die „online auskunft ch-de-at“ will beispielsweise 749,00 EUR haben, von denen 159,00 EUR als „Treuerabatt“ abgezogen werden. Zahlbar binnen 7 Tagen netto, wenn es innerhalb von 3 Tagen geschieht, gibt es 5 % Skonto. Es wird ein „Debitorenkonto Michael Hardt“ des spanischen Kreditinstituts „SabadellCam“ genannt.

Sie finden hier das Muster einer solchen Rechnung der Online Auskunft CH-DE-AT. Es wird darin ein Vertragsabschluss am 16.05.2013 behauptet und für das Ausgabejahr 2014/2015 mit einer Laufzeit bis zum 15.05.2015 Geld gefordert. Weiter heißt es darin: „Die Einträge werden am 15.05.2015 automatisch gelöscht.“

Die Lüge eines Vertragsabschlusses im Mai 2013 ist offensichtlich. Die Seite „online-auskunft-ch-de-at.com“ wurde überhaupt erst am 14.05.2014 registriert. Aufrufen kann man sie, zumindest heute, nicht. Es wird angezeigt, dass diese Domain von United Domains gesperrt wurde. Eine Whois-Abfrage ergibt, dass sie von einem Michael König registriert wurde. Ob der identisch ist mit Michael Hardt, dem Konto-Inhaber, wissen wir nicht – auch nicht, ob überhaupt einer der Namen echt ist.


Gegenwehr ist möglich

Mit solchen Tricks zustande gekommene Verträge sind angreifbar. Bei richtiger Abwehrstrategie muss man sich vor einer Forderung der Firma „Oertlicher Telefonbuchverlag s.l.u.“ oder der „online auskunft ch-de-at“ nicht fürchten. Gerne können Sie uns ansprechen. Am besten mailen Sie uns – unverbindlich – vorab den kompletten Schriftwechsel; wir melden uns dann. Sollten Sie weitere Anrufe derartiger Firmen erhalten, empfehlen wir, die bürgerlichen Höflichkeitsformen hinten anzustellen. Legen Sie einfach kommentarlos auf! Irgendwann hört man dann auf.



Update vom 11.07.2014

Uns liegen mittlerweile Hintergrundinformationen über die Firma Oertlicher Telefonbuchverlag s.l.u. vor. Aktenordnerweise Skype-Protokolle. Die Handelsregisteranmeldung, Escritura genannt. Außerdem Verträge und Anweisungen an Mitarbeiter. Darüber und über die örtliche Führung, Tanja Ziesche und Harald Herbert Dittus, berichten wir in einem weiteren Blog-Beitrag.

[Zum Blog-Beitrag vom 11.07.2014: Teil 2 zu Oertlicher Telefonbuchverlag s.l.u. - Aus dem Maschinenraum der Firma]



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