Der Schwindel mit rechnungsähnlichen Schreiben
Wenigstens 25 Jahre alt ist der Schwindel mit rechnungsähnlichen Formularen. Bis heute hält er sich, trotz Verurteilungen durch die Strafjustiz.
Neu gegründete Firmen, die im Handelsregister eingetragen wurden, erhalten Post. Rechnungsähnlich aufgemachte Schreiben, die den Anschein amtlicher Formulare erwecken. Auch schon mal einschließlich Bundesadler. Oder schwarz-rot-gelbgoldener Farbe. Ein Überweisungsträger ist beigefügt. Von „Kassenzeichen“, Bescheiden“, „Eintragungsgebühren“ oder ähnlichem ist die Rede. Schnell müsse gezahlt werden. In der Regel zwischen 300 und 850 Euro.
Die Empfänger dieser Rechnungen sollen glauben, dass es sich um die amtlichen Gebühren für die Eintragung im Handelsregister handeln würde. Tatsächlich haben derartige Absender damit nichts zu tun; nur bei sorgfältiger Lektüre des „Kleingedruckten“ stellt man fest, dass es um die Veröffentlichung der Daten in einem Privatregister dieser Firmen im Internet geht.
Beispiel einer rechnungsähnlichen Offerte, hier: einer "Gewerberegisterzentrale", Herbst 2019
Manche neu gegründete Firmen sehen sich mit bis zu zehn derartigen Schreiben konfrontiert.
Warnliste des Bundesanzeiger Verlag
Der Bundesanzeiger Verlag, der unter anderem das Bundesgesetzblatt und den vom Bundesministerium der Justiz herausgegeben Bundesanzeiger verlegt, veröffentlicht regelmäßig eine „Gauner- und Ganovenliste“. Von A, wie „ADV Allgemeines Datenverzeichnis“, bis Z, wie „Zentrales Unternehmensregister“, reicht sie. Auf sechs engbedruckten Seiten werden Ross und Reiter genannt: fast 200 Namen und - soweit bekannt - Anschriften von Firmen, die sich unlauterer Machenschaften bedienen.
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Wertlose Gegenleistung
Die Gegenleistung, für die gezahlt werden soll, ist eine Eintragung in einem Internet-Branchen-Verzeichnis. Es wird nicht beworben, niemand kennt es. Wenn es denn überhaupt existiert; was in der Vergangenheit bei derartigen Firmen nicht immer der Fall war.
Strafanzeigen erstatten!
Wir empfehlen, die Absender derartiger Rechnungs-Schreiben als das zu würdigen, was sie nun einmal sind: kleine, manchmal etwas größere Wirtschaftskriminelle. Und deshalb Strafanzeige zu erstatten.
Bereits Anfang der Nuller-Jahre hatte sich der Bundesgerichtshof (BGH, Urteil vom 04.12.2003 – 5 StR 308/03) mit solchen rechnungsähnlich aufgemachten Formularen beschäftigt. Und als gewerblichen Betrug gewürdigt – versuchter Betrug, wenn kein Geld geflossen war, sonst als vollendeter Betrug. Immer wieder kam es seitdem zu Verurteilungen der Hintermänner solcher Firmen durch die Gerichte, manchmal erst nach längerer Zeit. Es gab auch schon Freiheitsstrafen, die nicht mehr zur Bewährung ausgesetzt wurden. Den Betreibern half auch nicht der Einwand, die Betroffenen hätten doch besser aufpassen können. Aus dem Urteil des BGH:
“Leichtgläubigkeit oder Erkennbarkeit der Täuschung bei hinreichend sorgfältiger Prüfung schließen die Schutzbedürftigkeit des potentiellen Opfers und damit gegebenenfalls eine Täuschung nicht aus […] Eine Täuschung kann auch konkludent erfolgen, nämlich durch irreführendes Verhalten. Eine Täuschungshandlung kann somit auch gegeben sein, wenn sich der Täter hierzu – isoliert betrachtet – wahrer Tatsachenbehauptungen bedient. In solchen Fällen wird ein Verhalten dann zur tatbestandlichen Täuschung, wenn der Täter die Eignung der – inhaltlich richtigen – Erklärung, einen Irrtum hervorzurufen, planmäßig einsetzt und damit unter dem Anschein „äußerlich verkehrsgerechten Verhaltens" gezielt die Schädigung des Adressaten verfolgt, wenn also die Irrtumserregung nicht die bloße Folge, sondern der Zweck der Handlung ist […]
Die Schreiben wurden nicht wahllos an einen zufällig ausgewählten Adressatenkreis versendet. Vielmehr wurden sie gezielt an einen Personenkreis gerichtet, für den unmittelbar zuvor eine Eintragung im Handelsregister erfolgt war und der deshalb mit einer Kostenforderung rechnen mußte.“
Erstatten Sie Strafanzeige auch dann, wenn Sie noch rechtzeitig merkten, dass etwas faul ist. Getreu dem Motto: „Steter Tropfen höhlt den Stein“.
Schicken Sie das Formular mit einer kurzen Schilderung an die Staatsanwaltschaft, die für den Ort zuständig ist, in der die Firma sitzt, die das Formular erstellt hat. Einen Anwalt benötigen Sie dafür nicht. Die Adresse der Staatsanwaltschaft lässt sich leicht mit Google & Co. herausfinden.
(Bearbeitungsstand: 03.08.2023)
In der Abzockerszene hasst man die Öffentlichkeit, die er schafft: in einem Blog berichten wir regelmäßig über solche und andere Firmen, nennen Hintergründe und Interna.
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Siehe auch:
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