Urteil: Architekt muss nicht ständig persönlich für Bauherrn erreichbar sein – Fax und Mail reichen
17.04.2015 – Es gibt Kunden, die der Schrecken aller sind. Auch Ärzte, Anwälte und Architekten kennen solche. Sie wissen im Zweifelsfall alles besser. Melden sich alle Augenblicke. Etwa derart, dass eine gute Bekannte der besten Freundin der Schwägerin des Bruders von jemanden gehört habe, dass alles auch ganz anders betrachtet werden könne. Unbedingt müsse das nun geprüft werden. Selbstverständlich erwarten sie eine umgehende Antwort. Am besten, dass man Ihnen Tag und Nacht persönlich zur Verfügung steht.
Vor dem Oberlandesgericht Celle (OLG Celle, Urteil vom 24.09.2014 - 14 U 169/13; rechtskräftig, die Nichtzulassungsbeschwerde wurde vom BGH durch Beschluss vom 05.02.2015 – VII ZR 237/14 zurückgewiesen), ging es – auch - um die Frage, ob ein Architekt für den Bauherrn permanent, und zwar persönlich, erreichbar sein muss. Muss er nicht, entschied das Gericht.
Ein Auftrag wird erteilt....
Ein Bauherr aus dem Raum Hannover war Eigentümer eines Einfamilienhaus, einem Flachdachbungalow. Den wollte er aufstocken und zugleich modernisieren lassen. Für die Umsetzung fand er ein kleines Architekturbüro, zwei Personen, ein Geschäftsführer und seine Ehefrau. Er erteilte dem den Auftrag für die Erbringung von Architektenleistungen der Leistungsphasen 1 bis 8. Vollarchitektur wird das meist schon genannt, weil das Bauvorhaben vom Anfang bis zum Ende betreut wird. Wobei der Begriff etwas ungenau ist; denn eigentlich gibt es auch eine weitere, 9. Leistungsphase, die Überwachung des fertigen Objektes während der Gewährleistungsphase - die wird aber häufig nicht beauftragt.
Die Baukosten wurden mit 236.000,00 € angenommen, dass Architekturbüro sollte dafür pauschal ein Honorar von 35.700,00 € erhalten. Der Bauherr zahlte knapp 10.000,00 € als Abschlag. Das Büro machte sich ans Werk.
.... und gekündigt
Doch bald knirschte und krachte es zwischen Bauherrn und Architekten. Schließlich kündigte der Bauherr den Architektenvertrag, aus wichtigem Grund, wie es im Kündigungsschreiben hieß. Dieser Zusatz „aus wichtigem Grund“ ist entscheidend. Gibt es für die Kündigungsentscheidung tatsächlich einen wichtigen Grund, erhält der Architekt kein Honorar. Besteht aber kein wichtigen Grund, kann der Architektenvertrag zwar auch jederzeit gekündigt werden. "Freie Kündigung" heißt das. Es gibt aber einen Unterschied zur Kündigung aus wichtigem Grund. Und der berührt den Geldbeutel. Der Architekt kann dann weiterhin die vereinbarte Vergütung verlangen, er muss sich nur das anrechnen lassen, was er an Aufwendungen erspart oder durch einen stattdessen herein genommenen Auftrag angenommen hat. § 649 BGB regelt dies.
Dieser Bauherr wollte seinen Geldbeutel schonen. Er versuchte Gründe zu finden, warum er den Architektenvertrag fristlos hatte kündigen dürfen. Einer davon: das Vertrauensverhältnis sei zerstört gewesen. Es hätten nämlich nicht genügend persönliche Gespräche stattgefunden. Obgleich er doch darum gebeten hatte. Man habe stattdessen E-Mails oder Faxe geschickt oder es sei telefoniert worden. In der Tat wurden dem Gericht umfangreiche Kopien von E-Mail- und Fax-Korrespondenz vorgelegt. Doch die Richter am Oberlandesgericht sahen darin keinen noch lange keinen Grund für eine fristlose Kündigung. Aus dem Urteil:
„Es ist generell ein berechtigtes Interesse eines Unternehmers als Auftragnehmer, seine Leistung effizient unter wirtschaftlicher Verwendung seiner Ressourcen zu erbringen und in diesem Zusammenhang einen unnötigen Zeitaufwand zu vermeiden. Daher kann es nicht als wichtiger Kündigungsgrund angesehen werden, wenn der Auftragnehmer versucht, nicht zielführende zeitraubende und ineffektive Gespräche zu vermeiden und Absprachen in strukturierten Formen zu erreichen. Bloße Kommunikationsproblemen begründen daher keinen wichtigen Grund zur Kündigung; ein Architekt ist nicht verpflichtet, sich für den Bauherrn ständig persönlich "erreichbar" zu halten. Erforderliche Abstimmungen können auch unter Zuhilfenahme moderner Kommunikationstechnologien erfolgen; dass die Parteien hiervon tatsächlich Gebrauch gemacht haben, wird durch die zur Akte gereichte Korrespondenz (umfangreicher E-Mail-Austausch, FAX) belegt.“
Die Kündigung des Architektenvertrages war zwar möglich gewesen. Aber als sogenannte freie Kündigung. Mit der Folge, dass der Bauherr das vereinbarte Honorar zahlen musste. Lediglich Nebenkosten über einige hundert Euro hatte das Architektenbüro gespart. Das Gericht strich zwar noch einige weitere Positionen aus der Architektenrechnung. Doch es blieben immer noch weitere 21.000 EUR, die der Bauherr jetzt an das Architektenbüro zahlen muss. Er war schlecht beraten - oder beratungsresistent - als er sich zu der übereilten Kündigung entschlossen hatte.
Die Alternative zur Vollarchitektur - eine stufenweise Beauftragung
Das Risiko, sich vielleicht doch nicht mit seinem Architekten zu verstehen, hätte man allerdings im Voraus durch eine geschickte Vertragsgestaltung verringern können: indem man den Architekten stufenweise beauftragt. Man kann erst einmal die Zielermittlung über die Entwurfsplanung bis zur Genehmigungsplanung beauftragen. Als erste Stufe. Danach die Ausführungsplanung. Schließlich die dritte Stufe, die Realisierungsphase. Bei der Gestaltung eines solchen Architektenauftrages gibt es zwar einiges beachten und als Bauherr kann man schnell in Vertragsfallen geraten. Es ist aber nichts, was ein erfahrener Bauanwalt nicht hinbekäme. Kommt man dann mit seinem Architekten nicht mehr klar, kann man nach dem Ende der jeweiligen Stufe einen anderen beauftragen. Der neue Architekt kann dann auf die Vorarbeiten zurückgreifen und sie weiter entwickeln. Und selbst dann, wenn man sich in einer laufenden Stufe von seinem Architekten trennen möchte, wären die Kosten, die man an ihn zahlen muss, deutlich geringer; es wäre dann nur davon auszugehen, war er bis zum Abschluss der beauftragten Stufe bekommen hätte.
Mit dem Thema Architekt und Fragen rund um seine Tätigkeit haben wir uns in unserem Blog schon öfter beschäftigt. Zum Beispiel mit Fragen zum Architektenhonorar:
Haben Architekten eigentlich Urheberrechtsansprüche für Ihr Werk und können sie damit lange nach Ende ihrer Arbeit dem Bauherrn ihre Wünsche aufzwingen? Theoretisch ja, praktisch aber viel seltener als mancher Architekt denkt:
[Zum Bau-News-Beitrag vom 17.08.2013: Urheberrechtsschutz des Architekten – nicht jedes Wohnhaus ist ein Kunstwerk]
[Zum Bau-News-Beitrag vom 09.05.2014: OLG Frankfurt am Main: einmal darf man Architektenplan präsentieren - dann keine Urheberrechtsverletzung]
Außerdem:
[Zum Blog-Beitrag vom 02.07.2017: Architekt kann normalerweise nicht Aufträge für Bauherrn auslösen]
[Zum Bau-News-Beitrag vom 10.04.2017: Kein Anspruch des Architekten, Pfusch selber zu beseitigen]
[Zum Bau-News-Beitrag vom 26.01.2014: Das Eigenheim mit einem Architekten bauen?]
Zum Bau-News-Beitrag vom 12.04.2013: Der Bau wurde teurer als geschätzt - Schadensersatz vom Planer?
Zum Bau-News-Beitrag vom 03.05.2012: Was gehört in ein Bautagebuch - Urteil des Kammergericht
[Zum Bau-News-Beitrag vom 15.09.2011: Architekt hat keine Vollmacht zur Auftragserteilung für den Bauherrn]
Ihr Ansprechpartner: Claus Radziwill, Rechtsanwalt und
Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht, Berlin
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