Wenn es immer mehr, besser und schöner sein soll – Architekt muss Bauherrn nicht vor Geldausgeben schützen
13.12.2016 - Der Bau des neuen Heimes hat manch Risiken und Nebenwirkungen. Eine davon ist der Baurausch. Meistens ist er eher harmlos, ein paar Schalter und Steckdosen mehr werden verbaut, vielleicht noch eine Wand verändert, weil der Hobbyraum zu klein zu werden droht. Die Mehrkosten halten sich da noch in Grenzen.
Es gibt aber auch die – naja – pathologischen Fälle. Da soll es während des Bauens immer größer, schöner und besser werden. Es wird aber auch immer teurer. Manchmal extrem viel teurer. Am Schluss kommt dann die Erkenntnis, man hätte vor sich selber geschützt werden müssen.
Im Niederrheinischen wurde ein Architekt verklagt. Weil das unter seiner Aufsicht errichtete Haus immer teurer geworden war, nachdem die Bauherrin in einen Baurausch verfiel. Doch das Oberlandesgericht Düsseldorf (OLG Düsseldorf, Urteil v. 25.03.2014 – I-23 U 166/12; die Entscheidung ist rechtskräftig nachdem der Bundesgerichtshof mit Beschluss vom 06.04.2016 – I 7 ZR 81/14 eine Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision zurückwies) entschied, dass der Architekt dafür nicht haftet. Ansonsten hätte die Bauherrin mit ihm vereinbaren müssen, dass bestimmte Baukosten nicht überschritten werden.
Das Eigenheimprojekt begann...
Im Jahr 2005 hatte sich eine Ärztin entschlossen ein Einfamilienhaus mit Garage zu bauen. Ein Architekt sollte es planen. Nach ihren Wünschen sollte es einen umbauten Raum von 899 m³ (ja richtig, Kubik-Meter, nicht Quadratmeter) zuzüglich 135 m³ für die Garage haben. Der Architekt legte ihr zwei Schätzungen vor. Einmal mit Standard-Ausstattung für 270.000 € und einmal mit gehobener Ausstattung für 300.000 €.
... zu wachsen...
Jetzt begann der Baurausch und das Unheil nahm seinen Anfang. Das Haus sollte größer werden: 1351 m³ umbauter Raum und 135 m³ für die Garage. Der Architekt legte eine neue Schätzung vor. In der Standard-Ausstattung 361.000 €, in gehobener Ausstattung 439.000 €.
...zu wachsen...
Es blieb nicht dabei. Nun sollte der umbaute Raum auf Wunsch der Ärztin für das Wohnhaus auf 1.472 m³ und für die Garage auf 158,5 m³ erhöht werden.
...und zu wachsen
Die Arbeiten begannen. Und wieder wurde eine Umplanung verlangt. Das Obergeschoss sollte 30 cm höher werden. Das Dach sollte einen Dachüberstand erhalten. Es sollte nicht mehr mit Gas beheizt werden, sondern mit einer Erdwärmeanlage. Der gesamte Innenausbau sollte sehr aufwändig hergestellt werden. Alarmanlage, Videogegensprechanlage, CAT – Verkabelung, elektrische Rollläden, raumhohe Innentüren, eine hochwertige Sanitärausstattung. Im Obergeschoss sollten es keine Fliesen mehr sein. Parkett sollte her. Unverputzte Kellerwände störten das werte Empfinden. Sie wurden verputzt. Für ein Schwimmbad wurde ein Aushub vorgenommen.
Die Notbremse durfte nicht gezogen werden
Irgendwann fiel der Ärztin auf, dass dies auch alles bezahlt werden müsse. Sie verlangte vom Architekten eine Aufstellung der Gesamtherstellungskosten. Die endete mit einem Betrag von 490.000 EUR. Hinzu kamen Baunebenkosten für Statik, technische Ausrüstung, Architektenleistung sowie die Vermessungsgebühr: weitere 58.000 €.
Jetzt wäre noch etwas zu retten gewesen. Der Architekt wies daraufhin, dass die Herstellung einer konventionellen Heizanlage 25.000 € billiger wäre. "Unbedingt" müsse die Erdwärmeanlage aber gebaut werden, verlangte die Ärztin.
Man könne den Standard reduzieren, erklärte der Architekt. Dann würde man weitere 32.000 € sparen. Aber nicht mit dieser Ärztin. Sie wies das zurück.
Später stellte im Auftrag des Gerichts ein Sachverständiger den Gebäudeherstellungswert mit 512.000 € ohne und 594.000 € mit den Baunebenkosten fest.
Gericht: der Architekt ist das nicht schuld
Vom Baurausch blieb ein böser Kater zurück. Die Ärztin verklagte den Architekten. Er hätte wissen müssen, dass sie nicht mehr als 361.000 € ausgeben wollte, meinte sie. Sie habe bei ihrer Hausbank ein Darlehen über 281.000 € aufgenommen, darüber hinaus hätte sie nur 80.000 € Eigenkapital gehabt. Er müsse ihr 186.000 € Schadensersatz zahlen, die Differenz.
In der ersten Instanz, vor dem Landgericht Mönchengladbach, verlor die Ärztin. Doch sie ließ nicht locker und legte Berufung ein, zum Oberlandesgericht Düsseldorf. Es ging dort nicht besser aus für sie. Sie hätte eben deutlich sagen müssen, wie viel Geld sie habe, urteilten die Düsseldorfer Richter:
"Es kann auch nicht festgestellt werden, dass der Beklagte seine Pflicht zur Kostenberatung dadurch verletzt hat, dass er es im Rahmen der Grundlagenermittlung unterlassen hat, konkret zu ermitteln, ob seine Pläne für die Beklagten finanzierbar seien. Der Beklagte hat sowohl für den ursprünglich in Rede stehenden Bau eines erheblich kleineren Hauses als auch für das von der Klägerin ausdrücklich gewünschte größere Haus zwei verschiedene Kostenschätzungen erstellt; nach diesen Kostenschätzungen aus August 2005 ist das Bauvolumen nochmals erhöht worden. Es wäre daher Sache der Klägerin gewesen, dem Beklagten zu verdeutlichen, dass ihre finanziellen Mittel für die Verwirklichung der gehobenen Ausstattungsvariante nicht ausreichen [....]"
Und das hatte sie nicht. Noch einmal aus dem Urteil:
"Die Klägerin hat nicht bewiesen, dass die Parteien eine bestimmte Kostengrenze vereinbart haben. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht nicht fest, dass die Klägerin eine für den Beklagten erkennbare konkrete Kostenvorstellung hatte, mit welchen Baukosten das Bauvorhaben verwirklicht werden sollte. Bereits vor der Planungsphase hat der Beklagte eine grobe Kostenschätzung offenbar anhand bestimmter Baukostenindizes auf zwei verschiedenen Grundlagen, nämlich einer Standardvariante und einer gehobenen Ausstattung ermittelt, die erheblich differierten. Dass sich die Klägerin für eine dieser beiden Kostenvarianten entschieden und den Beklagten konkret angewiesen hat, das Bauvorhaben als Standardbau mit einfacher Innenausstattung zu planen und durchzuführen, hat sie nicht einmal behauptet [...]
Vielmehr hat sie, nachdem sie Mitte August die beiden verschiedenen Kostenschätzungen erhalten hatte, bis zur Stellung des Bauantrags eine nochmalige Erhöhung des umbauten Raums hinsichtlich Haus und Garage gewünscht. Während der Bauausführung hat sie das Bauvolumen nochmals erhöht, indem sie das Obergeschoss 30 cm höher errichten ließ. Dass sie ihre angeblichen Vorstellungen einer Baukostenobergrenze von 360.000 € (brutto einschließlich Baunebenkosten und dem aufwändigen Innenausbau) gegenüber dem Beklagten zu irgendeinem Zeitpunkt nach Stellung des Bauantrags konkret geäußert hat, kann nach dem Ergebnis der erstinstanzlichen Beweisaufnahme nicht festgestellt werden."
Die Düsseldorfer Richter ließen eine Revision nicht zu. Die Ärztin versuchte es trotzdem. Sie legte dagegen eine Beschwerde zum Bundesgerichtshof ein. Vergeblich. Der Prozess wird sie 60.000 € gekostet haben.
Was wäre wenn? Dennoch kein Haus auf Kosten des Architekten!
Da der Architekt keinen Schadensersatz an die Bauherrin zahlen muss, hatte das Gericht keinen Anlass, sich dazu zu äußern, was eigentlich deren Schaden wäre. Wer sich mit den Feinheiten des Baurechts nicht auskennt, kann meinen, der Schaden seien die Mehrkosten des Bauens. Was ein Denkfehler wäre. Schließlich hat man für diese Mehrkosten eine Gegenleistung erhalten: in Form eines Hauses, das sehr viel mehr wert ist. Ein Schaden wären vielleicht die Baufinanzierungskosten. Also die Zinsen eines zusätzlichen Darlehens. Oder der Verlust, den man bei einem Notverkauf des Hauses hinnehmen muss.
Wie man als Bauherr es richtig macht
Mit Architekten kann man Baukostenobergrenzen vereinbaren. Und sollte das auch machen. Am besten schriftlich. Mittlerweile verwenden viele Architekten auch Standard-Formulare, die dafür ein Ausfüllfeld vorsehen. Aber auch hier droht noch eine Falle. Entscheidet man sich später für ein „besser“ und „mehr“, muss man natürlich auch mit mehr Kosten rechnen. Auf die Weise kann man dann schnell eine ursprünglich schriftlich vereinbarte Kostenobergrenze aufheben. Es sei denn, dass man immer ausdrücklich darauf hinweist, dass die vereinbarten Kosten nicht überschritten werden dürfen.
Mit dem Thema Architekt und Fragen rund um seine Tätigkeit haben wir uns in unserem Bau-News-Blog schon öfter beschäftigt. Zum Beispiel mit Fragen zum Architektenhonorar:
Wer Schwarz-Arbeit mit seinem Architekten vereinbart, verliert alle Ansprüche. Auch die auf Gewährleistung:
Außerdem:
[Zum Bau-News-Beitrag vom 26.01.2014: Das Eigenheim mit einem Architekten bauen?]
[Zum Bau-News-Beitrag vom 10.04.2017: Kein Anspruch des Architekten, Pfusch selber zu beseitigen]
[Zum Blog-Beitrag vom 02.07.2017: Architekt kann normalerweise nicht Aufträge für Bauherrn auslösen]
Wer bauen lässt, hat ein Recht darauf, dass dies mängelfrei geschieht. Die Praxis sieht manchmal anders aus. Doch immer wieder müssen wir feststellen, dass die Durchsetzung ihrer Rechte manchen Bauherren schwerfällt – sie mitunter auch Fehler dabei machen.
[Zum Bau-News-Beitrag vom 04.07.2015: Der Bau, die Mängel und die Rechte des Bauherrn]
Dieser Beitrag ist im Blog „Bau-News“ erschienen.
Ihr Ansprechpartner: Claus Radziwill, Rechtsanwalt und
Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht, Berlin
Kontakt über Telefon
Rechtsanwälte Radziwill ● Blidon ● Kleinspehn
Rechtsanwälte | Fachanwälte
030 - 861 21 24
Kontakt über Fax
Rechtsanwälte Radziwill ● Blidon ● Kleinspehn
Rechtsanwälte | Fachanwälte
030 - 861 26 89
Kontakt über E-Mail
Rechtsanwälte Radziwill ● Blidon ● Kleinspehn
mail [at] radziwill.info